“Jedes Problem hat zwei Seiten: Die falsche und die unsrige.” [Schweizer Sprichwort]

Abstract

Jeder, der Probleme strukturiert lösen möchte, sollte zunächst “Schule des Denkens” von George Pólya lesen.

Auch wenn Pólya hauptsächlich mathematische Probleme im Auge hatte, kann man seine Techniken allgemein anwenden.

Pólya’s Prinzipen

In seinem Buch unterscheidet Pólya 4 einfache Phasen des Problemlösens.

Wir wollen diese Phasen anhand einer Beispielaufgabe erläutern:

Beispiel:

Wandle eine Dezimalzahl mit Microsoft Excel in ihre Binärdarstellung um.

Phase 1 - Verstehen der Aufgabe

Zuerst müssen wir das Problem verstehen: Lesen und Umformulieren, Visualisieren.

Was ist gegeben, was gesucht?
Kann ich den Sachverhalt in eigenen Worten beschreiben?
Wie lautet die Bedingung?
Ist die Bedingung ausreichend, um die Unbekannte zu bestimmen?

Beispiel:

Gegeben ist eine beliebige Dezimalzahl. Gesucht ist deren Binärdarstellung. Diese Bedingung ist leider nicht ausreichend, im Allgemeinen die Unbekannte zu bestimmen.

Dies liegt einerseits an den Grenzen von Excel:

  • Excel kann Dezimalzahlen lediglich mit einer Genauigkeit von 15 Stellen darstellen.
  • Die kleinste negative darstellbare Dezimalzahl in Excel ist -2.2251E-308.
  • Die kleinste positive darstellbare Dezimalzahl in Excel ist 2.2251E-308.
  • Die größte negative darstellbare Dezimalzahl in Excel ist -9.99999999999999E+307.
  • Die größte positive darstellbare Dezimalzahl in Excel ist 9.99999999999999E+307.

Diese Grenzen können wir deutlich erweitern, indem wir Dezimal- und Binärzahlen als Zeichenketten darstellen. Hier liegt Excel’s Grenze bei 32767 Zeichen pro Zelle. Dies lässt zwar immer noch keine allgemeine Lösung zu, sollte jedoch für alle praktisch vorkommenden Zahlen ausreichen.

Andererseits stoßen wir auch auf ein Darstellungsproblem:
Negative Zahlen werden im Binärsystem üblicherweise als Zweierkomplement dargestellt, die führende Ziffer entspricht dem Vorzeichen (0 = positiv, 1 = negativ). Bei variabel langen Nachkommastellen können wir kein Zweierkomplement berechnen. Wir müssen also eine Fixkommadarstellung verwenden, oder wir beschränken die Binärumwandlung im Falle von Nachkommastellen auf positive Zahlen. Das Gute ist: Wir könnten wie bei Dezimalzahlen ein zusätzliches Vorzeichen ('+' und ‘-') einführen und damit die Beschränkung aufheben.

Phase 2 - Ausdenken eines Planes

Der nächste Schritt besteht im Entwickeln eines Plans: Lösungswege und Definitionen wiederholen.

Für welche ähnlichen Probleme sind bereits Lösungen bekannt?
Kann das Problem in Teile zerlegt werden?
Welche Größen bleiben unverändert?
Stimmen die Maßeinheiten der Größen?
Wir gehen immer vom Gegebenen zum Gesuchten.

Beispiel:

Excel besitzt zwar eine eingebaute Funktion für die Umwandlung (DEZINBIN), aber diese Funktion ist auf ganze Zahlen von -512 bis +511 beschränkt, Nachkommastellen werden ignoriert.

Wir müssen also die Umrechnung von Dezimalzahlen in Zeichenkettendarstellung selbst implementieren. Bei der Implementierung helfen die Definitionen dieser benutzerdefinierten Funktionen:

  • sbBinNeg - Ermittle das Zweierkomplement einer Binärzahl.
  • sbDivBy2 - Teile eine positive Dezimalzahl durch 2.
  • sbDecAdd - Addiere zwei positive Dezimalzahlen.

Phase 3 - Ausführen des Planes

Nun wird der Plan sorgfältig ausgeführt und anschaulich präsentiert.

Überprüfe jeden einzelnen Schritt.
Können wir jeden Schritt beweisen?
Ist unsere Lösungsbeschreibung anschaulich und verständlich?
Welche wichtigen Erkenntnisse haben wir gewonnen?

Beispiel:

Siehe die Implementierung: sbDec2Bin.

Phase 4 - Rückschau

Schließlich müssen wir unsere Lösung kritisch hinterfragen, bewerten und übertragen.

Können wir das Ergebnis überprüfen?
Können wir das Ergebnis auf andere (einfachere) Weise erreichen?
Können wir das Ergebnis oder die Problemlösungsmethode auf andere Probleme anwenden?
Haben wir das Problem vollständig gelöst?

Beispiel:

Wir stellen fest, dass bei periodischen Darstellungen im Binärsystem (z. B. hat die Dezimalzahl 0,1 keine endliche Binärdarstellung) und im Falle von notwendigem “Abschneiden” von Nachkommastellen aufgrund der Limitierung der Ziffern bei der Umwandlung von Nachkommastellen eine Ungenauigkeit nicht zu vermeiden ist.

Anmerkung: Der IEEE Standard 754 wurde eingeführt, um u. a. mit solchen Ungenauigkeiten umzugehen. Vollständig vermeiden lassen sie sich nicht.

Literatur

Deutsch

Pólya, George (2010). Schule des Denkens. A. Francke Verlag Tübingen und Basel. ISBN 978-3-7720-0608-1. Dies ist die deutsche Übersetzung seines englischen Titels How to Solve It.

Hochschule München (24-Feb-2016). Problemlöseschule nach Pólya für Studierende. (Externer Link!) https://w3-mediapool.hm.edu/mediapool/media/dachmarke/dm_lokal/bologna/hd_mint/veroeffentlichungen_3/Poster_DPG_2016_final_A0.pdf

Universität Düsseldorf (2-Apr-2012). Anleitungstabelle nach G. Pólya, “Schule des Denkens”. (Externer Link!) https://www.math.uni-duesseldorf.de/~khalupczok/MSLehre/Rep/PolyaTabelle.pdf

Englisch

Pólya, George (2004). How to Solve It. (Externer Link!) http://www.im.ufrj.br/~monica/funcoes/Polya.pdf

University of Berkeley (8-Aug-2007). Pólya’s Problem Solving Techniques. (Externer Link!) https://math.berkeley.edu/~gmelvin/polya.pdf

Schoenfeld, Alan (21-Mar-2020). Solving the Problem of Powerful Instruction. (Externer Link!) https://www.nottingham.ac.uk/education/documents/news-events/problem-solving-polya.pdf

Michigan State University (8-Jan-2018). G. Pólya and “How to Solve It!”. (Externer Link!) https://people.nscl.msu.edu/~hergert/phy820/material/pdfs/problem_solving.pdf